Vorlagebeschluss an den Großen Senat zum teilentgeltlichen Rechtsgeschäft
BFH vom 27.10.2015, X R 28/12
Problem: Wie wird bei einem teilentgeltlichen Rechtsgeschäft der Umfang des entgeltlichen und des unentgeltlichen Rechtsgeschäfts bestimmt?
Sachverhalt vereinfacht: Die Klägerin betreibt eine (Betriebs) GmbH, der sie Grundstücke – wesentliche Betriebsgrundlagen – verpachtet. Es liegt also eine Betriebsaufspaltung vor. Die Verpachtung der Grundstücke ist damit gewerblich. Die Klägerin gründet eine GmbH & Co.KG. Mit einer Kommanditeinlage von 150.000 € wird sie einzige Kommanditistin. Die einzulegenden Grundstücke haben einen Buchwert von etwa 500.000 €. Sie werden in Höhe von 150.000 € gegen Gewährung der Kommanditbeteiligung eingelegt und in Höhe des übersteigenden Betrags (Buchwert abzüglich Kommanditeinlage) gegen eine Darlehensforderung (350.000 €). Die Summe der Teilwerte soll 1 Mio. € betragen.
Vorüberlegung: Bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Entgelt zwischen dem Gesellschafter und der Personengesellschaft wird die Gesellschaft grundsätzlich als intransparent angesehen. Diese Rechtsgeschäfte werden – anders als etwa Sondervergütungen – wie zwischen fremden Dritten abgewickelt.
1. Frage: Erhält die Klägerin für die Einlage ihrer Grundstücke in die GmbH & Co.KG ein Entgelt?
Soweit der Klägerin eine Darlehensforderung eingeräumt wird, erhält sie eine Gegenleistung von der Gesellschaft und damit ein Entgelt.
Soweit die Klägerin auf ihre Kommanditbeteiligung zahlt, erhält sie eine Gesellschaftsbeteiligung. Dies ist eigentlich ein tauschähnliches Rechtsgeschäft. In den Fällen des § 6 Abs. 5 S. 3 Nrn. 1 und 2 EStG wird die Gewährung/Minderung von Gesellschaftsrechten bei einer Personengesellschaft den unentgeltlichen Rechtsgeschäften gleichgestellt. Vorliegend handelt es sich um eine Übertragung aus dem Vermögen des Gewerbebetriebs der Klägerin in das Vermögen der KG, also einen Fall des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG. Soweit die Klägerin also ihre Einzahlungspflicht auf die Kommanditbeteiligung erfüllt, leistet sie unentgeltlich.
Rechtsfolge: Es liegt ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vor. Gem. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG erfolgt eine Buchwertverknüpfung, soweit die Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Damit ist das Rechtsgeschäft in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil aufzuteilen.
2. Frage: In welchem Umfang ist das Geschäft entgeltlich bzw. unentgeltlich?
Wegen dieser Frage hat der 10. Senat den Großen Senat angerufen. Zur Frage, wie der entgeltliche Teil des Rechtsgeschäfts vom unentgeltlichen abzugrenzen ist und wie sich damit die Anschaffungskosten bzw. der Veräußerungserlös berechnen, gibt es unterschiedliche Auffassungen:
a) Strenge Trennungstheorie
Die strenge Trennungstheorie gilt für die Übertragung von Privatvermögen. Bei der Übertragung von Betriebsvermögen vertritt die Finanzverwaltung und ein Teil der Rechtsprechung weiterhin die strenge Trennungstheorie.
Nach der strengen Trennungstheorie bestimmt sich der entgeltliche Umfang des Rechtsgeschäfts nach dem Verhältnis des Entgelts (350.000 €) zum Teilwert (1 Mio. €), beträgt also 35 %.
Der Verkaufsgewinn berechnet sich damit wie folgt:
Veräußerungserlös 350.000 €
Abzgl. anteiliger Buchwert 35 % von 500.000 € = 175.000 €
Veräußerungsgewinn 175.000 €
Die Kommanditgesellschaft weist als Anschaffungskosten 350.000 € aus. Diesen Anschaffungskosten werden 35 % der erworbenen Grundstücke zugeordnet. In Höhe von 65 % werden die Buchwerte fortgeführt, d.h. in Höhe von 325.000 € (65 % von 500.000 €).
b) Modifizierte Trennungstheorie
Der BFH weist zutreffend darauf hin, dass die modifizierte Trennungstheorie in mehreren Spielarten vertreten wird. In der Rechtsprechung (IV. Senat) wurde folgende Variante vertreten:
Das (Teil)-Entgelt wird mit dem Buchwert verglichen; d.h. der Buchwert wird immer vom Entgelt abgezogen. Ist der Buchwert insgesamt höher als das Teilentgelt, liegt insgesamt ein unentgeltliches Rechtsgeschäft vor. Liegt das Teilentgelt zwischen dem Buchwert und dem Teilwert, liegt in Höhe des Differenzbetrages ein Veräußerungsgewinn vor.
c) Auffassung des 10. Senats
Der 10. Senat möchte der strengen Trennungstheorie folgen. Er argumentiert mit dem Veranlassungsprinzip – die Anschaffungskosten sollen sachgerecht zwischen dem entgeltlichen und dem unentgeltlichen Teil des Rechtsgeschäfts verteilt werden – und dem Subjektsteuerprinzip – Versteuerung der stillen Reserven bei dem Rechtssubjekt, das die stillen Reserven verdient hat -. Da § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gerade Ausnahmen zu diesen Prinzipien normiert, um bestimmte steuerliche Gestaltungen nicht zu erschweren, ist diese Argumentation des 10. Senats problematisch. Es geht im Rahmen der Auslegung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG gerade darum, die Grenzen dieser Prinzipien zu bestimmen. In den (Ausnahme)fällen des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG hat der Gesetzgeber gerade andere Ziele fördern wollen und aus diesem Grund das Prinzip des Veranlassungszusammenhangs und das Subjektsteuerprinzip durchbrochen. Die richtige Fragestellung wäre daher wohl, ob hinter den geregelten Ausnahmefällen allgemeine Wertungen erkennbar sind, die eine Grenzziehung ermöglichen. Da als Wertung lediglich erkennbar ist, bestimmte steuerliche Gestaltungen steuerneutral zu ermöglichen, stößt hier jede Rechtsanwendung an ihre Grenzen.