Viele Steuerberater handeln im Vorfeld einer Insolvenz geradezu leichtfertig. Aufgrund einer langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ihrem Mandanten werden Dokumentationsobliegenheiten sträflich vernachlässigt. Es wird überhaupt nicht bedacht, dass im Falle einer Insolvenz nicht die bisherigen Geschäftsführer zuständig sind, sondern das Unternehmen von einem Insolvenzverwalter vertreten wird, dessen Pflicht darin besteht, etwaige Haftungsansprüche im Interesse der Gläubiger durchzusetzen.

Diese Unbedarftheit führte immer schon in Fällen, in denen allgemeine steuerrechtliche Hinweise nicht dokumentiert wurden, zu Problemen. Mit der Annahme insolvenzspezifischer Pflichten in einer ganz jungen BGH-Entscheidung werden die Haftungsrisken von Beratern bei Unternehmen, die sich in einer Krisensituation befinden, dramatisch.

In zwei Entscheidungen im Kalenderjahr 2013 (IX ZR 64/12 und IX ZR 204/12) urteilte der BFH noch, dass ein Steuerberater, der mit der Bilanzerstellung betraut war, den Geschäftsführer einer GmbH nicht im Rahmen der allgemeinen Beratungspflicht auf eine bestehende Insolvenzreife hinweisen müsse. Insoweit handele es sich vielmehr um den originären Verantwortungsbereich des Geschäftsführers selbst.

Unter teilweiser Aufgabe dieser Rechtsprechung hat der BGH nunmehr mit Urteil vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) geurteilt, dass der mit der Erstellung des Jahresabschlusses für eine GmbH betraute Steuerberater seinen Mandanten auf einen möglichen Insolvenzgrund und die entsprechende Prüfungspflicht des Geschäftsführers hinweisen muss, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife dem Mandanten nicht bewusst ist.

Der BGH hat außerdem festgestellt, dass ein Steuerberater im Rahmen der Bilanzerstellung prüfen muss, ob er Fortführungswerte ansetzen darf. Bilanziere der Steuerberater zu Fortführungswerten, sei aber die bilanzielle Fortbestehensprognose (going concern) negativ, sei der erstellte Jahresabschluss mangelhaft. Bei einem Unternehmen, das sich in einer Krisensituation befindet, müsse der Steuerberater daher prüfen, ob eine Insolvenzgefahr bestehen und ggfls. ob das Unternehmen im Falle einer Insolvenz tatsächlich fortgeführt würde. Die ggfls. erforderliche Fortbestehensprognose sei zwar von der Geschäftsführung aufzustellen, vom Steuerberater selbst aber auf ihre innere Folgerichtigkeit zu prüfen. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass selbst dann, wenn ein Insolvenzantragsgrund vorliegen würde, eine positive Fortführungsprognose möglich sei, nämlich dann, wenn zu erwarten sei, dass das Unternehmen auch nach Insolvenzeröffnung fortgeführt würde. Erforderlich sei in diesen Fällen eine komplexe Prognose über die Gesamtsituation des Unternehmens. Spätestens in diesem Moment ist die Beiziehung eines auf Insolvenzrecht spezialisierten Beraters angezeigt.

Um eine Haftung bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für ein Unternehmen, das sich in einer Krise befindet, zu vermeiden, sollte ein Steuerberater die Geschäftsführung nicht nur auf die Krisensituation und die sich daraus ergebenden Handlungsfolgen hinweisen, sondern diese Hinweise auch gut dokumentieren. Wird der Steuerberater nämlich wegen unterlassener Hinweispflichten prozessual in Anspruch genommen, trifft ihn die sogenannte sekundäre Darlegungslast für eine ordnungsgemäße Aufklärung. Außerdem muss der Steuerberater im Rahmen der Bilanzerstellung sorgfältig die Fortbestehensprognose prüfen und auch diese Prüfung für einen etwaigen Prozess dokumentieren. Zweifelt der Steuerberater an der Fortbestehensprognose, muss er ggfls. auch darauf hinwirken, dass eine insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose von einem fachkundigen Dritten erstellt wird. Auch diese Prognose darf der Steuerberater nicht ungeprüft übernehmen. Er muss sie zumindest auf ihre Plausibilität hin überprüfen.

© 2023 Dr. Britta Holdorf | Rechtsanwältin und Notarin